In Mexiko verschwinden massiv und systematisch Menschen. Angehörige fordern Aufklärung der Verbrechen.
Aachen, Berlin, 26. August 2020
Es sind erschreckende Zahlen: Mehr als 73.000 Personen gelten in Mexiko offiziell als gewaltsam verschwunden. Knapp 98 Prozent der Fälle datieren auf die Zeit seit 2006, als der damalige Präsident Felipe Calderón den Drogenkartellen den Krieg erklärte. Expert*innen gehen jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus. Internationale Aufmerksamkeit erhalten meist nur wenige emblematische Fälle wie das Verschwindenlassen von 43 Lehramtsstudenten aus Ayotzinapa 2014. Der Fall zeigte deutlich die Verstrickungen zwischen staatlichen Funktionären und dem organisierten Verbrechen auf, ist aber längst nicht aufgeklärt.
Auf juristischer und symbolischer Ebene gab es in Mexiko in den vergangenen Jahren dennoch Fortschritte. „Wir haben einiges erreicht“, sagt Dolores González von der Menschenrechtsorganisation Serapaz (Servicios y asesoría a la paz). Auf Druck der Zivilgesellschaft verabschiedete der mexikanische Kongress 2017 etwa ein Gesetz gegen das Verschwindenlassen, mit dem eine Nationale Suchkommission geschaffen wurde. Der seit Ende 2018 amtierende Präsident Andrés Manuel López Obrador ist auf die Angehörigen Verschwundener zugegangen und hat Aufklärung versprochen. Eine neue Generalstaatsanwaltschaft soll seit 2019 unabhängiger von der Regierung agieren. Die große Herausforderung bestehe nun darin, die Institutionen zu konsolidieren und untereinander zu koordinieren, betont González. „Das kann nur durch Transparenz und die Partizipation der Angehörigen gelingen.“ Diese leben bisher mit der Ungewissheit, ob die Verschwundenen entführt, gefoltert oder ermordet wurden. Häufig suchen Angehörige auf eigene Faust nach sterblichen Überresten.
Im nationalen Suchsystem gibt es seit 2019 einen „Außerordentlichen Mechanismus zur forensischen Identifizierung“. Dieser soll mit internationaler Unterstützung zur Klärung der Identität von Leichnamen beitragen. Die deutsche Bundesregierung unterstützt dies mittels eines Rechtsstaatsprojekts, das die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ausführt. „Wir begrüßen das Engagement Deutschlands, durch praktische Unterstützung zum wichtigen Prozess der Identifizierung sterblicher Überreste beizutragen“, sagt Catharina Köhler, Länderreferentin für Mexiko bei Misereor. „Wir wünschen uns, dass die deutsche Politik gegenüber der mexikanischen Regierung noch energischer auf die Notwendigkeit hinweist, rechtsstaatliche Institutionen und Strukturen zu stärken. Nur wenn die Straflosigkeit wirksam bekämpft wird, die Fälle von Verschwundenen aufgeklärt und die Täter*innen gefasst werden, können die Verbrechen tatsächlich bekämpft werden.“
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