Menschenrechte in Mexiko
Rolle der Zivilgesellschaft und internationale Verantwortung
Tagung am 12. und 13. September 2024 in Berlin
Die umfangreichsten Wahlen in der Geschichte Mexikos sind vorbei: Am 2. Juni haben die Mexikaner*innen über politische Ämter und Mandate auf allen staatlichen Ebenen entschieden und ein neues Staatsoberhaupt gewählt. Mit Claudia Sheinbaum von der Regierungspartei Morena wird am 1. Oktober zum ersten Mal eine Frau die mexikanische Präsidentschaft antreten. Auf sie warten große politische Herausforderungen: Die Menschenrechtslage der zweitgrößten Volkswirtschaft in Lateinamerika bleibt schlecht. Das Land hat eine der höchsten Gewaltraten weltweit und Straflosigkeit ist weit verbreitet. Mehr als hunderttausend Menschen gelten als verschwunden – wobei nur ein Bruchteil der Fälle überhaupt an die Behörden gemeldet wird.
Im internationalen Vergleich ist Mexiko eines der gefährlichsten Länder für Journalist*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen und Umweltverteidiger*innen. Im Kampf gegen die organisierte Kriminalität und zur Verteidigung der öffentlichen Sicherheit setzt die Regierung auf das Militär. Dessen Aufgabenbereiche und Befugnisse werden immer weiter ausgebaut, während die Zivilbevölkerung Gewaltübergriffen und Vertreibung durch kriminelle Gruppen und Kartelle schutzlos ausgeliefert ist. Gleichzeitig bremst die Regierung die mexikanische Zivilgesellschaft in ihrem unermüdlichen Engagement für die Verbesserung der Menschenrechte aus. Menschenrechtsverteidiger*innen, Betroffene von Menschenrechtsverletzungen und deren Angehörige sowie Menschenrechtsorganisationen werden zur Zielscheibe von öffentlichkeitswirksamer Verleumdung.
Die verheerende Menschenrechtslage steht in einem starken Kontrast zur aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung: In der derzeitigen weltpolitischen Lage wird Mexiko als Standort für Investoren aus Deutschland und der Europäischen Union zunehmend interessant. Inzwischen sind 2.100 deutsche Firmen in Mexiko ansässig. DieseUnternehmen tragen eine besondere Verantwortung, was die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards, Lieferkettensorgfalt und die Gewährleistung fairer Arbeitsbedingungen betrifft.
Vor diesem Hintergrund fragen wir uns: Was bedeutet Menschenrechtspolitik in Mexiko heute? Welche Auswirkungen hat die fortschreitende Militarisierung auf die Menschenrechtslage in Mexiko? Was ist nötig, um zivilgesellschaftliches Engagement zu schützen sowie zu stärken und die anhaltende Straflosigkeit zu überwinden? Welchen Stellenwert hat die mexikanische Menschenrechtspolitik in den Beziehungen zu Deutschland und Europa?
In der gemeinsamen Tagung der Heinrich-Böll-Stiftung und der Deutschen Menschenrechtskoordination Mexiko analysieren wir aktuelle Entwicklungen, den beharrlichen Einsatz der mexikanischen Zivilgesellschaft und die Rolle Deutschlands und Europas.
Zu Paneldiskussionen, Fishbowl-Runden und Workshops sind am 12. und 13. September 2024 zahlreiche mexikanische Gäste und politische Akteur*innen aus Deutschland und Europa in die Heinrich-Böll-Stiftung eingeladen. Auftakt- und Abschlusspanel werden live gestreamt.
unter anderem mit:
- María Luisa Aguilar Rodríguez, Centro de Derechos Humanos Miguel Agustín Pro Juárez (Centro Prodh)
- Rodolfo Aguirre Reveles, Büro Mexiko-Stadt der Heinrich-Böll-Stiftung
- María Eugenia Gabriel Ruíz, Red Solidaria de Derechos Humanos de Michoacán
- Francisco González Arredondo, ehemaliger Sonderstaatsanwalt für Menschenrechtsverletzungen und gewaltsames Verschwindenlassen, Chihuahua
- Lucía Lagunes, Comunicación e Información de la Mujer (CIMAC)
- Víctor Hugo López Rodríguez, Red Nacional de Organismos Civiles de Derechos Humanos „Todos los Derechos para Todas, Todos y Todes“ (Red TDT)
- Eduardo Mosqueda, Tsikini
- María Alejandra Nuño Ruiz Velasco, Centro Universitario por la Dignidad y la Justicia (CUDJ) Francisco Suárez, ITESO
- Dr. Carlos Ogaz, Centro de Derechos Humanos Fray Bartolomé de Las Casas (Frayba)
- Dr. Carlos Pérez Ricart, Centro de Investigación y Docencia Económicas (CIDE)
- MEP Anna Cavazzini, Bündnis 90 / Die Grünen
- Dominique Eckstein, Partner Südmexikos e.V.
- Ingrid Heinlein, Neue Richter*innenvereinigung e.V.
- MdB Nicole Westig, FDP, stellvertretendes Mitglied im Auswärtigen Ausschuss
- Barbara Lochbihler, Mitglied des UN-Ausschusses gegen das Verschwindenlassen
- Maximilian Murck, Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen
- Dr. Rudolf Teuwsen, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
- Sarah Guhr, Germanwatch
Deutsch-Spanisch Simultanverdolmetschung
Kontakt:
Mareike Bödefeld, Referat Lateinamerika, Heinrich-Böll-Stiftung
boedefeld@boell.de
Françoise Greve, Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko
greve@mexiko-koordination.de
» Teilnahme vor Ort
im Konferenzzentrum der Heinrich-Böll-Stiftung, Schumannstr. 8, 10117 Berlin
Die Teilnahme an der Tagung ist kostenlos. Bitte melden Sie sich an. Die Anzahl der Plätze ist leider begrenzt. Sollte die Raumkapazität erschöpft sein, übertragen wir die Konferenz per Video in andere Räume. Wir weisen darauf hin, dass kein Anspruch auf einen Platz im Saal besteht.
» Livestream
Alternativ können Sie der Veranstaltung auch ohne Anmeldung im Livestream folgen.
Ausstellung „Zehn Jahre nach dem Verbrechen: Die offene Wunde von Ayotzinapa“
Am 26. September 2014 verschwanden in der Stadt Iguala, im mexikanischen Bundesstaat Guerrero, 43 Studenten des ländlichen Lehramtseminars von Ayotzinapa. Ein Jahrzehnt später ist ihr Schicksal weiterhin unaufgeklärt und es herrscht Straflosigkeit für das Verbrechen. Angesichts des zehnten Jahrestags erinnern die Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko und die Heinrich-Böll-Stiftung mit einer Ausstellung an die Verschwundenen und den jahrelangen Kampf ihrer Angehörigen für Aufklärung und Gerechtigkeit.
Die Ausstellung wird vom 12. September – 9. Oktober 2024 in den Räumlichkeiten der Heinrich-Böll-Stiftung zu sehen sein.
Programm
Donnerstag, 12. September 2024
17:30 | Anmeldung |
18:00 | Begrüßung und Willkommen in der Heinrich-Böll-Stiftung Dr. Imme Scholz – Vorständin der Heinrich-Böll-Stiftung Françoise Greve – Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko |
18:15 | Auftaktpanel: Menschenrechte in Mexiko im Jahr 2024 Mexiko hat gewählt: eine neue Präsidentin, ein neues Parlament, und zahlreiche lokale und regionale Ämter und Mandate. In Hinblick auf die schwierige Menschenrechtslage steht die neue Regierung vor großen politischen Herausforderungen. Was von ihr in Hinblick auf die Menschenrechts-, Sicherheits- und Außenpolitik zu erwarten ist und welche Rolle die mexikanische Zivilgesellschaft dabei in den nächsten Jahren spielen wird, diskutieren: María Luísa Aguilar Rodríguez, Centro de Derechos Humanos Miguel Agustín pro Juárez (Centro Prodh) Dr. Carlos Pérez Ricart, Centro de Investigación y Docencia Económicas (CIDE) MdB Nicole Westig, FDP, stellvertretendes Mitglied im Auswärtigen Ausschuss Barbara Lochbihler, Mitglied UN-Ausschuss gegen das Verschwindenlassen Moderation: Florian Huber (Leiter des Büros Mexiko-Stadt der Heinrich-Böll-Stiftung) |
19:45 | Empfang |
21:00 | Ende des ersten Tages |
Freitag, 13. September 2024
08:30 | Anmeldung |
09:00 | Einführung in den Tag Julia Scherf, Heinrich-Böll-Stiftung Françoise Greve, Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko |
PARALELLE FISHBOWLS | |
09:30 | Fishbowl 1: Anerkennung und Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen: Zwischen Rechten und Realität Die Arbeit von Menschenrechtsverteidiger*innen, Umweltschützer*innen und Journalist*innen ist in Mexiko mit erheblichen Risiken verbunden. Von der Regierung wird das Problem nur unzureichend anerkannt, während öffentliche Diffamierungen gegen Menschenrechtsverteidiger*innen zugenommen haben. Wie können diese besser geschützt werden? Wie steht es um den staatlichen Schutzmechanismus und welche selbstorganisierten Mechanismen gibt es? Welche Rolle kommt der internationalen Gemeinschaft dabei zu? Diese und weiteren Fragen möchten wir gemeinsam diskutieren mit: María Eugenia Gabriel Ruiz, Red Solidaria de Derechos Humanos de Michoacán Lucía Lagunes, Comunicación e Información de la Mujer (Cimac) Dr. Carlos Ogaz, Centro de Derechos Humanos Fray Bartolomé de Las Casas Víctor-Hugo López Rodriguez, Red Todos los Derechos para Todas, Todos y Todes (RedTdT) Moderation: Laura Kühn und Manuel Jabonero (Peace Brigades International) |
09:30 | Fishbowl 2: Krise durch Straflosigkeit Die weitreichende Straflosigkeit in Mexiko hat vielfältige Ursachen: Korruption ist verbreitet, die organisierte Kriminalität übt Einfluss auf Teile von Politik, Staat und Behörden aus, und die Justiz ist institutionell überfordert. Die Konsequenzen sind verheerend – sowohl für die öffentliche Sicherheit als auch für Betroffene und deren Angehörige. Wie kann dieser Kreislauf der Gewalt durchbrochen werden? Inwiefern lassen sich strukturelle Fortschritte bei der Suche nach über 114.000 Verschwundenen ausmachen? Welche best practices gibt es auf bundesstaatlicher Ebene bei der Zusammenarbeit zwischen Familien, Zivilgesellschaft und Justiz? Welchen konkreten Beitrag kann die deutsche und internationale Zusammenarbeit mit Mexiko hier leisten? María Luisa Aguilar Rodríguez, Centro de Derechos Humanos Miguel Agustín pro Juárez (Centro Prodh) María Alejandra Nuño Ruiz Velasco, Centro Universitario por la Dignidad y la Justicia „Francisco Suárez“ Guadalajara Maximilian Murck, Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen Francisco González Arredondo, ehemaliger Sonderstaatsanwalt für Menschenrechtsverletzungen und gewaltsames Verschwindenlassen, Chihuahua Moderation: Franziska Wild (Brot für die Welt) und Mareike Bödefeld (Heinrich-Böll-Stiftung) |
11:15 | Kurze Pause |
11:30 | Workshop 3: Zwischen Kartellen und Karossen: Wirtschaft und Menschenrechte Das Lieferkettengesetz und der Unabhängige Beschwerdemechanismus der Automobilindustrie sind zwei wichtige Werkzeuge, mit denen die Menschenrechte im wirtschaftlichen Bereich geschützt werden sollen. Aber: Wie erfahren Betroffene von deren Existenz? Und welchen Risiken setzen sich jene Menschen aus, die diese Mechanismen nutzen wollen? Haben Menschenrechte in einem von der organisierten Kriminalität beherrschten Umfeld überhaupt eine Chance? Welche Verpflichtungen hat die Wirtschaft und welche Optionen hätte sie? Workshop mit: Eduardo Mosqueda, Tsikini Dominique Eckstein, Partner Südmexikos e.V. Ingrid Heinlein, Neue Richter*innenvereinigung e.V. Sarah Guhr, Germanwatch Moderation: Dr. Christiane Schulz (Beraterin Menschenrechte) |
11:30 | Fishbowl 4: Wem und wozu dient das Militär? Unter der Präsidentschaft von Andrés Manuel López Obrador wurden die Befugnisse und Aufgabenbereiche des Militärs in den letzten sechs Jahren weiter ausgeweitet. Welche Auswirkungen hat die Militarisierung der Sicherheitspolitik für die Menschenrechte und die zunehmende Macht des Militärs in strategischen Bereichen? Wie müsste eine Sicherheitspolitik aussehen, die die Macht der Kartelle bekämpft und gleichzeitig die Menschenrechte schützt? Darüber diskutieren wir mit: María Luisa Aguilar Rodríguez , Centro de Derechos Humanos Miguel Agustín Pro Juárez Carlos Pérez Ricart, Centro de Investigación y Docencia Económicas (CIDE) Dr. Carlos Ogaz, Centro de Derechos Humanos Fray Bartolomé de Las Casas Moderation: Rodolfo Aguirre Reveles (Büro Mexiko-Stadt der Heinrich-Böll-Stiftung) |
13:00 | Mittagspause |
14:30 | World Café: Rolle der mexikanischen Zivilgesellschaft Zahlreiche Organisationen der mexikanischen Zivilgesellschaft erhofften sich mit der Wahl des Präsidenten Lopez Obrador vor sechs Jahren Fortschritte der Regierung in der Menschenrechtspolitik und im Umgang mit zivilgesellschaftlichen Akteuren. Tatsächlich sahen sich viele NGOs in den vergangenen Jahren massiver Kritik, darunter öffentlichen Diffamierungen seitens des Präsidenten, ausgesetzt. Dieser behandelte insbesondere die Organisationen aus dem progressiven Spektrum und Menschenrechts- sowie Umweltschutzorganisationen als Störfaktoren gegenüber seiner Politik. Wie wird derzeit die Beziehung zivilgesellschaftlicher Organisationen zu relevanten Regierungsstellen bewertet? Welche Hoffnungen setzen die NGOs auf die neue Präsidentin und ihre Regierung? Welche Strategien haben mexikanischen zivilgesellschaftliche Akteure für die Zukunft entwickelt? Welche Rolle sollte und könnte die internationale Gemeinschaft einnehmen? Dr. Carlos Ogaz, Centro Fray Bartolomé de las Casas María Alejandra Nuño Ruiz Velasco, Centro Universitario por la Dignidad y la Justicia „Francisco Suárez“ Guadalajara María Eugenia Gabriel Ruiz, Red Solidaria de Derechos Humanos de Michoacán Rodolfo Aguirre, Büro Mexiko-Stadt der Heinrich-Böll-Stiftung Moderation: Julia Scherf (Heinrich-Böll-Stiftung) |
16:00 | Kaffeepause |
16:30 – 18:00 | Abschlusspanel Menschenrechte in Mexiko stärken – Herausforderungen und Erwartungen an die deutsche und europäische Politik Für europäische Staaten ist Mexiko ein wichtiger Partner in der Region. Gleichzeitig sind Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung. Welche Herausforderungen und Perspektiven ergeben sich daraus für die internationale Zusammenarbeit? Welche Erwartungen zur effektiven Verbesserung der Menschenrechtssituation hat die mexikanische Zivilgesellschaft an Deutschland und die EU in ihren Beziehungen zu Mexiko? Welche Herausforderungen sind dabei zu bewältigen? Darüber diskutieren: Lucía Lagunes, Centro de Comunicación e Información para la Mujer – CIMAC Victor-Hugo López Rodríguez, Red Todos los Derechos para Todas, Todos y Todes (RedTdT) María Alejandra Nuño Ruiz Velasco, Centro Universitario por la Dignidad y la Justicia „Francisco Suárez“ Guadalajara, ITESO Dr. Rudolf Teuwsen, Referatsleiter 303 Grundsätze der Zusammenarbeit mit Lateinamerika und der Karibik; Mexiko, BMZ MEP Anna Cavazzini, Bündnis 90 / Die Grünen Moderation: Françoise Greve (Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko) |